Astigmatismus versus Koma ... oder der diskrete Charme des Tunnelblicks

  • Hallo !


    Der letzte Beitrag zu sphärischer Aberration und Farbquerfehler, hat mich auf die Idee gebracht, optische Fehler gegenüberzustellen, d.h. als Gegensatzpaar darzustellen. Ich finde, wenn man Gemeinsamkeiten und Gegensätze vergleicht, versteht man die Fehler leichter, als wenn man sie sich sich einzeln zu Gemüte führt.


    Fangen wir also damit an, was die beiden Fehler gemeinsam haben : es geht um “schiefe” Strahlen.



    1. Vorbedingungen der Diskussion (“Absteckung des Rahmens”)


    Sieht man sich Beiträge und Bilder über optische Fehler im Internet an, so werden die Fehler meistens anhand von Strahlen dargestellt, die parallel zur optischen Achse auf eine Linse fallen; und das unabhängig davon, ob die einfallenden Strahlen nahe an der optischen Achse liegen (innen) oder weiter entfernt (außen).


    Man muß sich aber ganz klar machen, daß die Darstellung der auf die Linse fallendenen Strahlen als achs-parallele (!) Strahlen nur einidealisierterund (für die Darstellung) vereinfachter Ausschnitt dessen ist, was da tatsächlich an Strahlen auf die Objektivlinse oder auf den Spiegel “aufprallt”.


    Ich rede also nicht davon, daß Strahlen von Sternen (die ja “Rundumstrahler” sind), parallel bei uns ankommen, (weil aus dem Unendlichen kommend), sondern davon, daß die Strahlen, wenn sie auf die Linse fallen, “parallel” zur optischen Achse einfallen (und nicht schräg dazu). Durch die konvexe “Wölbung” der Linse werden ja auch Sterne im Fokus abgebildet, die sich außerhalb einer gedachten geradlinigen Verlängerung des Tubusdurchmessers nach vorne befinden: das Gesichtsfeld am Himmel ist größer als der Tubusdurchmesser.



    Man kann sich das so vorstellen, daß die genannten Abbildungen im Internet sozusagen von der Voraussetzung ausgehen, vor dem Objektiv befände sich eine Taukappe, die so lang ist, daß sie bis an das beobachtete Objekt (nehmen wir als Beispiel den blauen Stern) heranreicht: Strahlen, die von der Seite einfallen (roter Stern), werden da sprichwörtlich “ausgeblendet”. (Weitere Methaphern zum Verständnis sind “der Blick durch die Klorolle” , die “Lochkamera” oder einfach nur eine Blende).


    In der Realität gibt es aber daneben auch noch die (zwar auch parallelen, weil aus dem Unendlichen kommenden, aber) schräg auf die Linse fallenden Strahlen. Diese Strahlen, die eher vom Rande des wahren Gesichtsfeldes des Teleskops am Himmel kommen (weil die Strahlen in der Mitte des Gesichtsfeldes ungefähr rechtwinklig auf das Objektiv fallen und damit ziemlich “achsparallel” sind), führen - trotz Korrektur der Optik für die bekannteren Fehler, wie Kugelgestaltsfehler oder Farbfehler - eine Reihe von weiteren optischen Fehlern ein, wie eben gerade den Astigmatismus und die Koma. ... Deshalb hat der “Tunnelblick” mit seinen achsparallelen Strahlen schon seinen “diskreten Charme”.


    • [Ich möchte bei den “Vorbedingungen” auch noch erwähnen, daß ich das Ganze vorallem zu meinem eigenen Verständnis schreibe (einer meiner Professoren auf der Uni hat mal gesagt: “erst wenn man ein Buch über eine Materie geschrieben hat, hat man die diese verstanden”). Meine Ausführungen enthalten mit Sicherheit Irrtümer, zumal ich auf einem Forum schreibe und nicht für einen Wissenschaftsverlag. Ich bin für Kritik sehr offen ; außer für rein formel-mathematische, die ich nicht verstehe. Wenn mir aber ein Mathematiker Fehler in meiner Darstellung vollkommen ohne Formeln erklären will, bin ich ganz Ohr. Daraus folgt auch: Meine Darstellung ist eine ganz einfache Darstellung, die aus eigenen Beobachtungen abgeleitet ist, die man als “Visueller” am Fernrohr machen kann und aus daraus folgendem Nachdenken, Lesen, Nachdenken, Lesen, Nachdenken, usw.. ... ...Mit “Zernike Polynomen” Der Zernike Zoo (von “Piston” über “Tetrafoil” bis “Quaternal”) und / oder “higher order optical aberrations” habe ich deshalb wirklich nichts am Hut].



    2. Astigmatismus


    Damit wären wir also beim Thema. Der erste zu besprechende Fehler wird oft mit einer etwas längeren Terminologie auch als “Astigmatismus schiefer Bündel” bezeichnet; ... eben gerade weil es hier um schief einfallende Strahlen geht. Was passiert aber jetzt genau mit den schief einfallenden Strahlen ?


    Um das zu erklären, greifen die Optik-Spezialisten erneut auf eine Vereinfachung zurück: anstatt die Effekte der schiefen Strahlen rund um das Sternscheibchen-Abbild zu beschreiben, also so :



    werden nur zwei Aspekte berücksichtigt:


    (1) die vertikalen Strahlen, die das Stern-Abbild formen


    und


    (2) die horizontalen Strahlen, die das Stern-Abbild formen.


    Das ist, wegen der noch zu erklärenden “Kreuzform” des Astigmatismus, eine sehr plausible Darstellung. Das Ganze sieht dann so aus:





    In der senkrechten Ebene des Stern-Abbildes werden die Strahlen kürzer gebrochen (vereinigen sich früher hinter Linse), als in der waagrechten Ebene des Stern-Abbildes. es gibt also einen vertikalen (auch meridionalen oder tangentialen) Fokus und einen horizontalen (auch sagittalen) Fokus. (Die Begriffe “sagittal” und “tangential” erscheinen mir vollkommen sinnlos, "meridional" erscheint verständlich ... vergeßt die beiden anderen einfach, wir nehmen "senkrecht" und "waagrecht" !).


    Wie kommt das zustande ? Wieso ist bei schief einfallenden Strahlen der vertikale Fokus des Stern-Abbildes vor dem Fokus der horizontalen Strahlen des Stern-Abbildes ? ... Dazu muß ich noch kurz ausholen. Es gibt meiner Meinung nach 3 Arten von Astigmatismus:


    • den “natürlichen” Astigmatismus (Bild von soeben), der - zum Rande des Geischtsfeldes hin - dadurch ensteht, daß die die Strahlen schief auf eine perfekt senkrecht zur optischen Achse stehende Objektivlinse fallen
    • den “Verkippungs”-Astigmatismus, der dadurch entsteht, daß die Strahlen zwar exakt “gerade” in das Fernrohr einfallen, d.h. parallel zur optischen Achse des Fernrohres, aber die Linse verkippt ist. ........................................................................................................................................ ... [(1) und (2) sind eigentlich identisch, denn es ist ja egal, ob die Strahlen schief einfallen und die Linse senkrecht steht, oder ob die Strahlen “gerade” in’s Fernrohr fallen und die Linse schief steht. Allerdings sieht man im ersten Fall, den Astigmatismus eigentlich nur bei Sternen am Rande des Gesichtsfeldes (weil nur Strahlen dort stehender Sterne schief einfallen, während man bei einer verkippten Linse den Asti auch im Zentrum und bei achsparallel einfallenden Strahlen sieht].


    ..................

    • den Astigmatismus “im Glas”, der dadurch entsteht, daß die Linse / der Spiegel nicht perfekt rund geschliffen ist, sondern irgendwie oder irgendwo oval ist. Die Ovalität braucht nicht überall im Glas zu sein, das Glas kann oben “auf der Kuppe” rund sein und am unteren Rand der Linse ebenso, aber in der mittleren “Glasschicht” oval. Wenn man eine plakonvexe (also auf einer Seite plane) Linse nimmt, kann man eine solche die Linse mit einem “Tirolerhut” vergleichen : oben ist sie rund, unten an der Krempe ebenfalls, aber in der Mitte sind Dellen: https://www.hutstuebele.com/Ti…-Wollfilz-von-HUTTER.html (Glücklicherweise ist dieser Fall heute - wegen höherer Fertigungsqualitäten - selten geworden, ... im Gegensatz zu noch vor ein paar Jahrzehnten).



    Ich nehme den 2. Fall (verkippte Linsen) zur weiteren Darstellung, weil der wohl am meisten auffällt (der 1. Fall tritt ja eher am Rand des Gesichtsfelds auf und wird deshalb oft gar nicht gesehen). Die verkürzte Brechung der Strahlen in senkrechter Richtung führt dazu, daß das durch die Linse in senkrechter Richtung produzierte Stern-Abbild “perspektivisch” verkürzt wird. Das sieht dann so aus (siehe besonders im Kasten rechts unten im Bild) :




    Sorry, das Bild erscheint jetzt ein bißchen überfrachtet. Das ist, weil ich alles in ein Bild packen wollte. (Ich habe das gemerkt und hätte mehrere Bilder machen sollen, hatte aber keine Lust neu zu zeichnen).


    Um den Betrachteransatz zu vereinfachen, habe ich deswegen aus dem Bild - mittels “Inlets” - drei Bilder gemacht: den Kasten oben links (Ausgangspunkt), den Kasten unten rechts (Ergebnis) und das Mittelbild (ohne Kasten).


    (1) Ausgangspunkt (Kasten oben links im letzten Bild)


    Stellen wir uns vor, wir könnten sekundenschnell zwischen einem Planeten , der den roten Stern umkreist, und unserer Erde hin- und herspringen (durch "Beamen"). Wir betrachten das Ganze vom roten Planeten aus, können aber unser defektes Teleskop (verkippte Linse) auf der Erde so einstellen, daß sich der rote Stern genau unter der Mittelachse des Tubus auf der Erde befindet (senkrecht unter der richtigen optischen Achse = der des Tubus). (Der grüne Stern steht waagrecht zur optischen Achse, die blauen haben jeweils ein bißchen von der “Waagrechtizität” und der “Senkrechtizität” zur optischen Achse).


    (2) Längsschnitt (mittleres Bild)


    Wenn wir jetzt in den Längsschnitt gehen (vom roten Planeten zu unserem Teleskop auf der Erde), sehen wir, daß die Verkippung der Linse (mit dem Oberteil nach hinten) bewirkt, daß der “obere” Strahl vom Stern vor der Linse länger ist (als der untere) und somit logischerweise nach der Linse (Brechung) kürzer, als wenn die Linse senkrecht stünde (UND der Strahl parallel zur Tubusachse einfiele). Dasselbe gilt auch dann wenn nur eine der gerade genannten Bedingungen (schiefer Strahl ODER oben nach hinten verkippte Linse) erfüllt ist. Ist die Linse dagegen umgekehrt oben nach vorne verkippt, könnte auch mal (seltener Fall !) eine Kompensation eintreteten.


    Umgekehrt ist der “untere” Strahl des Sternabbildes vor der Linse kürzer und hinter der Linse länger.


    (3) Ergebnis (Kasten unten rechts im letzten Bild)


    So jetzt kommt die Quizfrage: wenn das eigenlich kreisrunde Stern-Abbild des roten Sterns oben / unten verkürzt und unten / oben verlängert wird (hängt davon ab, ob man durch's Objektiv oder durch den OAZ schaut), wie sieht es dann für eine Beobachter aus, der es auf der Tubusachse von vorne (durch’s Objektiv oder von hinten durch den Okularauzug) anschaut ? ... ... ...


    Richtig, wie ein Strich in der Landschaft ! Und zwar wie ein Querstrich (und nicht wie ein Längsstrich, obwohl wir die Nord- und Südstrahlen des Sternes betrachten). Weil nämlich das Oberteil des Stern-Abbildes nach hinten (oder vorne) wegkippt (je nachdem ob man auf der Achse durch’s Objektiv oder den OAZ schaut) und das Unterteil des Sternabbildes nach vorne (oder hinten).


    Man kann das sehr gut an einem Essteller testen, den man sich - im Armlängen-Abstand - vor die Nase hält (und um die Achse zwischen den Händen (= waggrecht) verdreht.


    Das sieht man auch im Kasten unten rechts im letzten Bild, wo von unten (der rote Stern ist ja unten vor der Linse) nach oben der Effekt der Verkippung auf das Stern-Abild dargestellt ist, bis schließlich im Fokus (= oberes Sternscheibchen) nur noch ein waagrechter Strich übrigbleibt.



    Bei den waagrechten (Ost- und West-) Strahlen ist dagegen von der Verkippung wenig zu sehen; der waagrechte Teil des Stern-Abbildes bleibt also im Prinzip rund wie vorher (siehe aber den Hinweis im Bild).



    Jetzt kann man das ganze auch noch mit dem grünen Stern im Bild (der genau waagrecht zur Tubusachse steht) und waagrecht (links-rechts) verkippter Linse (!) durchexerzieren und wird zu dem Ergebnis kommen, daß der Strich dann ein senkrechter Längsstrich ist.



    Und für alle blauen Sterne (oder beidseitig verkippte Linse) ? .................................... (Edit: ab hier geändert): ...................... Es entsteht jeweils ein Strich in der entsprechenden Quer-Richtung zur (vom Zentrum aus) diagonalen Position des Sterns.



    Was ich noch nicht verstanden habe, ist warum im Fokus ein Kreuz (aus zwei entgegengesetzten Strichen) entsteht, die um 90° versetzt sind: Es ist sicherlich richtig, daß im Fokus alles umgedreht wird; ich verstehe auch daß die Nord- und Süd- Enden, sowie Ost- und West- Enden des - deformierten - (Strich-) Sternabbildes im Fokus vertauscht werden, ... ... aber wie durch den Durchgang durch den Fokus der Querstrich zum Längsstrich wird ist mir völlig schleierhaft.


    Ich stelle das weiter unten (3. Beitrag hier) mal zur Diskussion !


    ***



    [Sorry, jetzt bin ich müde von soviel Asti und ich werde mir erstmal einen Spumante reinziehen. Die (Abgrenzung zur) Koma folgt. Nur soviel sei schon verraten. Die Koma ist eine Kombination aus sphärischer Aberration (mein letzter Beitrag hier obendrüber) und Asti. [Die Korrektur des Kugelgestaltsfehlers (Umformung des Kugelausschnittes, beim Spiegel zum Paraboloid) erfolgt nämlich nur für achsparallele Strahlen, für die schiefen Strahlen besteht das Problem weiter und kombiniert sich dann mit dem Asti].

  • Hallo,


    und hier jetzt noch der Koma-Teil meines Beitrages.


    Wie gesagt, kommt die Koma, genauso wie der Astigmatismus, von schief einfallenden Strahlen, d.h Strahlen, die nicht achs-parallel auf die Linse oden den Spiegel fallen. Beide, Astigmatismus und Koma, können “natürlich” entstehen (d. h. bei perfekt justierter Optik, einfach nur weil die Strahlen schief einfallen) oder aus einer Verkippung herrühren (durch diese verstärkt werden).



    Auswirkungen / Anzeichen


    Beim Astigmatismus entstehen zwei Brennpunkte (senkrecht und waagrecht), die aber auf einer - wenn auch schiefen (also nicht tubuszentrischen) - Längsachse hintereinander liegen (und lediglich das Stern-Abbild ist “verkippt”, siehe oben zum Astigmatismus).


    Bei der Koma dagegen entstehen mehrere Brennpunkte desselben Sterns entlang verschiedener (nahe beieinanderliegender) Längsachsen, d.h. im Querschnitt betrachtet, nebeneinander. Das kommt wiederum davon, daß die außeraxialen, diesmal schiefen, Strahlen kürzer gebrochen werden, als die achsnahen Strahlen, die länger gebrochen werden (wie schon bei der sphärischen Abberation). Dadurch bildet nur der Fokus der achsnahen Strahlen (Mitte) einen Punkt, die achsferneren Strahlen sind (im Verhältnis zu den Achsenstrahlen) entweder noch nicht im Fokus oder schon wieder raus: in beiden Fällen sind sie also unscharf (nicht punktförmig).


    Gleichzeitig werden die achsferneren Stern-Abbilder auch noch vergrößert, je weiter außen (vom zentralen Brennpunkt der schiefen (!) Achse entfernt) sie liegen.


    Bild längs durchs Fernrohr:



    https://en.wikipedia.org/wiki/File:Lens-coma.svg Creative Commons License



    Im Querschnitt durchs Fernrohr, also vom Okular aus betrachtet, enstehen somit mehrere verschiedene, zueinander versetzte, von innen nach außen "schief" größer werdende Stern-Abbilder desselben Sterns in “V”-Form; siehe kleines Abbild, rechts im Bild. Die vergrößerten Abbilder gehen aber nur in eine Richtung (und nicht strahlenförmig um das Zentrum); die Richtung ist durch die Seite bestimmt, aus der die schiefen Strahlen einfallen.


    (Das kleine Bild hätte man eigentlich umgekehrt zeichenen müssen, weil die Koma normalerweise gegenüber der Seite entsteht, von er die Strahlen kommen; hier handelt es sich wohl um sogenannte negative Koma)


    Dadurch daß die äußeren Brennpunkte größer sind, sind sie auch lichtschwächer (das Licht ist “breitgetreten”, siehe Flächenhelligkeit) und es entsteht das "kometenschweifhafte" Abbild der Koma.


    https://www.telescope-optics.net/coma.htm copyright: Vladimir Sazek (dazu, warum ich das hier reinkopieren darf, siehe weiter unten, 5. Beitrag)



    Ursache / Entstehung



    1. Linse


    Ein sehr schönes Bild zur Erklärung, welches ich leider (wegen des copyrights) nicht kopieren kann, findet sich hier : http://hyperphysics.phy-astr.gsu.edu/hbase/geoopt/coma.html


    Zwar befindet sich der Lichtpunkt unten links im Gesichtsfeld, von dem die Strahlen ausgehen, hier einmal nicht im Undendlichen, sodaß die Strahlen über die ganze Linse verstreut auftreffen (und nicht parallel sind), aber das hat den Vorteil einer vergrößerten Darstellungsmöglichkeit der Ursache.


    Dabei sind besonders die eingezeichneten (gestrichelten) Kreise auf der Linse interessant. Die Linse ist ja unterschiedlich gewölbt, je nach dem, ob man das Zentrum oder den Rand der Linse betrachtet.


    An jeder Stelle auf einem weiter außen liegenden Kreis auf der Linse wird der eintreffende Lichtstrahl anders gebrochen, als an derselben Stelle auf einem weiter innen liegenden Kreis auf der Linse.


    Den Weg, den der Lichtstrahl (nach Durchgang durch die Linse) auf der von der Position des Lichtpunktes abgewandten Seite der Linse durchlaufen muß, ist länger, als der, den der Lichtstrahl auf der Seite der Linse durchlaufen muß, die der Position des Lichtpunktes am nächsten steht. Und das führt zu den unterschiedlichen Brennpunkten.


    Da der Lichtpunkt unten links liegt, entsteht der Komaschweif oben rechts. (Auf dem ersten Bild weiter oben ist das ein bißchen seltsam dargestellt, das ist wohl negative Koma).


    Hier im rechten Bild sieht man auch noch schön die "Verbiegung" der Wellenfront (blaue Linie): https://www.telescope-optics.net/coma.htm .  Zu vergleichen mit dem Bild vom schiefen Paraboloid etwas weiter unten.



    2. Spiegel


    Zum Spiegel findet man eine ausführliche Diskussion hier: http://www.astrotreff.de/topic…HIVE=true&TOPIC_ID=198656


    Dabei möchte ich besonders auf den Beitrag von Stick und sein Bild verweisen (5. Beitrag), der das Problem schön erklärt : die schiefen Strahlen sind die Bösen ! [(Wie schon gesagt, kommt das davon, daß die außeraxialen, schiefen, Strahlen kürzer gebrochen werden, als die achsnahen Strahlen, die länger gebrochen werden (wie schon bei der sphärischen Abberation). Dadurch bildet nur der Fokus der achsnahen Strahlen (Mitte) einen Punkt, die achsferneren Strahlen sind (im Verhältnis zu den Achsenstrahlen) entweder noch nicht im Fokus oder schon wieder raus: in beiden Fällen sind sie also unscharf (nicht punktförmig)].



    Und diese schiefen Strahlen schaffen ein echtes Dilemma. Die Parabolisierung (--> A-Sphärizität) eines Kugelspiegels beseitigt zwar die sphärische Aberration (für achsparallele Strahlen), aber der Kugelspiegel hatte (vorher) fast keine Koma.


    Dadurch, daß der Spiegel keine Kugel mehr ist, fallen schräg einfallende Strahlen auf eine - für sie, die schrägen Strahlen - “verbogene” / deformierte Fläche (jedenfalls mehr zum Rande des Spiegels), und können nicht mehr im selben Punkt fokussiert werden, wie die achsparallelen Strahlen (für die die a-sphärische Korrektur gedacht ist).


    So ungefähr sieht ein Parabolspiegel vom Gesichtspunkt der - hier senkrecht einfallenden - achsparallelen Strahlen aus:



    https://commons.wikimedia.org/…aboloid_of_Revolution.svg Krishnavaleda / creative commons

    siehe auch noch hier: http://www.mathematische-basteleien.de/paraboloid10.gif



    ... und so ähnlich für den Gesichtspunkt der schiefen Strahlen:



    http://en.wikipedia.org/wiki/I…c_Elliptic_Paraboloid.jpg vollkommen copyright-frei
    siehe auch noch hier:
    http://www.mathematische-basteleien.de/paraboloid13.gif


    [Die jeweils zweiten Links stammen von dieser Seite http://www.mathematische-basteleien.de/paraboloid.htm

    ---


    Durch die Parabolisierung eines Kugelspiegels verstärkt sich also der Effekt der Koma. [Der Koma-Effekt wird ja unter anderem durch eine stärkere Wölbung vermindert = verbessert (sogeanntes "Bending") besonders bei Linsen, aber die Parabolisierung des Spiegel bewirkt - im Gegensatz dazu - eine “Abflachung” am Rande des Spiegels und damit ein "Abgehen" von der sphärischen Kugelform in die - nur für die Koma(!) und nicht für die sphärische Aberration - falsche Richtung].


    Außerdem wird die Koma noch durch die "Schnelligkeit" des Öffnungsverhältnisses (also bei f/4.5, f/4, f/3.2, usw.) verschlimmert



    Zusammenfassung


    Die Koma hat also was mit dem Astigmatismus gemeinsam : beide entstehen durch Strahlen vom Rande des Gesichtsfeldes, die schräg auf die Linse / den Spiegel einfallen.


    Sie hat aber auch (und sogar zwei Dinge) mit der sphärischen Aberration gemeinsam: den Fokus der achsfernen Strahlen vor dem Fokus der achsnahen und, daraus folgend, das (vergrößerte) Halo. Wobei sich der Halo-Effekt bei der Koma - bezogen auf einen Stern in einer bestimmten Position des Gesichtsfeldes - aber nur in einer Richtung auswirkt, nämlich der der Position des Sternes gegenüberliegenden, wâhrend er bei der sphärischen Aberration rund um das Sternabbild vorhanden ist.


    Mit dem Farbquerfehler hat die Koma gemeinsam, daß der Fehler quer zur optischen Achse des Teleskopes entsteht.


    Den "Vergrößerungfaktor" hat die Koma (wie auch der Farbquerfehler und die sphärische Aberration) auch noch einer weiteren, hier nicht behandelten Aberration gemeinsam: der (kissen, bzw. tonnenförmigen) Verzeichnung zum Rande des Gesichtsfeldes.



    Ciao

    8 Mal editiert, zuletzt von AstroRudi () aus folgendem Grund: Zusätzliche Bilder + Korrekturen im Text

  • Hallo,


    eine Frage zum Astigmatismus hätte ich noch (siehe mein lila Edit am Ende des ersten Beitrags, oben) :


    Warum entsteht im Fokus ein Kreuz ? Weil der Strich (die Ellipse) nach dem Fokus um 90° gedreht ist.


    Aber warum dreht sich das Bild nach dem Fokus um 90° ?


    Also wenn die Ellipse = der Strich (siehe "Tellerverdrehtest") vor dem Fokus waagrecht ist, warum sieht sie/er (im Teleskop) nach dem Fokus senkrecht aus und umgekehrt?


    Ich vermute, daß das damit zusammenhängt, daß im Fokus alles umgedreht wird, ... aber verstanden habe ich das noch nicht. Denn eine Totalumkehr ist ja keine 90° Drehung, sondern eine 180° Nord-Süddrehung plus eine links-/rechts = Ost-West- Spiegelung !? ... Der Strich würde im Fokus zwar komplett umgekehrt: Nordseite = Südseite und Ost = West, aber aus dem Querstrich dürfte doch kein Längsstrich werden ? ...



    Liebe Grüße

  • Hallo Rudi,


    ich lese mich gerade durch deine Forschungsergebnisse. Ich muß mir das in einer ruhigen Stunde nochmal erschließen, aber schon jetzt sage ich "Danke"!


    Das mit dem umkippenden Strich in Fokus ist interessant. Gilt das für auch für ein flächiges Objekt oder wird der Strich gestaucht und in die Breite gezogen?


    Viele Grüße

    Detlev

    "Das Universum ist nicht dazu verpflichtet für dich irgendeinen Sinn zu ergeben!" (N. D. Tyson)


    Bresser 10x50 | 150/750 Dobson | 70/700 Skylux Refraktor | 200/1000 Zollstock-Dobson
    Im Bastelkeller: 8"f/6 Spiegel | 76/700 "Tchiboskop"-Newton


    https://astronomiefreunde-kn.de/

  • Hallo Detlev, hallo alle,


    ich glaube mit dem “Stauchen” und “Dehnen” hast Du - in genialer Weise - “den Nagel auf den Kopf getroffen” :thumbup:


    Ich habe noch mal ein bißchen gelesen, bei Vladimir Sazek : https://www.telescope-optics.net/astigmatism1.htm


    Der Fokus besteht ja aus zwei Brennpunkten (horizontal / vertikal), aber das Licht von einem Stern kann ja nicht im Fokus abgeschnitten und komplett in zwei Sternteile auseinandergerissen werden. Die beiden horizontalen und vertikalen Ab-Bilder müssen ja irgendwie noch zusammenhängen. ...


    Tun sie auch !



    Man kann sich das wie das Sternbild “Crater” vorstellen (auf deutsch “Becher”, aber eigentlich wohl “Pokal”) ; ... aber in dreidimensional :


    https://www.wpclipart.com/spac…s_2/crater_black.png.html (public domain)



    Um mal den DFB Pokal zu mißbrauchen: Wenn man den mit einem großen Hammer malträtierte, d.h. ihm vorne / oben einen Schlag auf die Trinkschale und einen zweiten - nach 90 Grad Drehung - hinten auf den Sockel gäbe, dann hätten wir zwei um 90° verdrehte Ellipsen, die aber noch am Griff zusammenhängen. (Ich hoffe, ich werde jetzt nicht von Fußballfans gelyncht).


    https://es.wikipedia.org/wiki/Archivo:DFB-Pokal_trophy.jpg wikipedia commons O. Alexander



    Und das ist die Form, die das Sternabbild bei Astigmatismus hat. Der Fokus ist kein “richtiger” Brennpunkt, sondern der Kreis der kleinsten Verwirrung” zwischen den senkrechten und den waagrechten Strahlen des Sternabbildes in ihren jeweiligen Brennpunkten. Also der “Griff” des malträtierten Pokals.


    Hier nochmal anders dargestellt :



    Bitte in das Bild reinzoomen (draufklicken, Icon mit Pfeil oben rechts, dann erscheint ein "+" - Zeichen, wieder klicken) und auf "Zone der kleinsten Verwirrung" (und die Kreuzung darüber) gehen.

    Vor dem "Kreis der kleinsten Verwirrung" (intrafokal) sieht man ausschließlich die vorderen, senkrechten (grünen) Strahlen des Stern-Abbildes, die zu einer waagrechten Ellipse verformt sind und zuerst in den Fokus kommen; der Rest der Strahlen (hinterer Fokus der waggrechten (orangen) Strahlen, die zu einer senkrechten Ellipse verformt sind) liegt im ersten Fokus noch weit außen (noch weit vom Fokus der grünen Strahlen entfernt) und ist vom Okularauszug aus, wenn überhaupt, wohl allenfalls als “Blur” / Halo sichtbar.


    Nach dem Fokus ist es umgekehrt.


    Das Ganze hängt aber auch noch davon ab, wo im Gesichtsfeld sich der Stern befindet (Position rot, blau oder grün im folgenden Bild); bei den blauen Sternen sieht man, so denke ich, das Kreuz im “Kreis der kleinsten Verwirrungam besten.




    Ich habe mich durch mein eigenes Beispiel oben im ersten Beitrag zu diesem Thread (roter Stern), wo ich den Stern genau unter die optische Achse platziert habe, komplett verrannt. Das ist ein Spezialfall (genauso wie der des grünen Sterns), wo der eine Teil des Doppel-Fokuses (beim roten Stern der waagrechte, beim grünen der senkrechte) ein Ausschnitt des Sternabbildes ist, der zum “normalen” Fokus (wenn die Linse nicht verkippt wäre) praktisch unverändert sein müßte. Man sieht das sehr schön bei diesen Fotos von Vladimir Sazek :



    https://www.telescope-optics.net/astigmatism1.html copyright siehe weiter unten



    Siehe besonders das 2. Bild der Reihe.

    Wenn der Stern genau unter der optischen Achse steht, müßte das Bild der waagrechten Teile des Sternabbildes (die senkrechte Linie) im 2. Fokus eigentlich genau dem punktförmigen Ab-Bild entsprechen, das dieselben Teile des Sternabbildes ohne die Verkippung der Linse hervorrufen würden. Denn durch eine ausschließlich (!) senkrechte Verkippung der Linse, wird diese ja nur um die waagrechte Achse gedreht und Lichtanteile des Sterns, die genau auf dieser Achse liegen, erfahren weder eine Dehnung, noch eine Stauchung (im Verhältnis zum korrekten Sternabbild). Dasselbe gilt sinngemäß für den grünen Stern (bei - in diesem Fall - genau waagrechter Verkippung der Linse).


    Eigentlich sollte es also für diese Spezialfälle kein Kreuz im Fokus geben, sondern es sollte im “Kreis der kleinsten Verwirrung nur ein Punkt zu sehen sein, der hinter der Ellipse des ersten Fokus "versteckt" ist. (Das Abbild im Längsschnitt entspräche dann einem (handgefertigten, mundgeblasenen => elliptischen) Weinglas mit Stil, aber ohne (z. B. abgebrochenem) Standteller.


    Bei genau senkrecht oder waagrecht unter / neben der optischen Achse stehenden Sternen (und genau senkrechter oder waagrechter Verkippung der Linse), sollte also, wenn ich das richtig verstanden habe, der Ellipsen-Strich nur auf einer Seite des “Kreises kleinster Verwirrung” zu sehen sein. Auf der anderen Seite der Zone der kleinsten Verwirrung befände sich dann (bei diesen Spezialfällen) der normale Punktfokus wie wenn die Linse nicht verkippt wäre (was sie ja, genau auf der Verkippungsachse, auch nicht ist).


    Ich muß das mal testen, wenn das Wetter wieder gut ist !


    ---


    Bitte schaut Euch auch die anderen Bilder (auch zu anderen optischen Fehlern) von Vladimir Sazek an, hier z.b. zur Koma: Seine Darstellungen sind einfach wunderbar klar, auch wenn man Englisch oder Mathe nicht gut versteht. Ich habe ihn angeschrieben, ob ich seine Bilder in dieses Forum kopieren darf und er hat mir folgendes geantwortet :


    “Hi Rudi,

    Feel free to use images, or quotes (not sure how the forum regulates it, but it should be OK with permission). Astigmatism was puzzling to me for some time too, line foci etc. until I saw illustration showing how all vertical sections focus into one line, and all horizontal ones into the other.

    Vladimir



    Ich bin/war also nicht ganz allein mit meinen Verständnisschwierigkeiten beim Astigmatismus ;(.

  • Hallo Hubert,


    Vielen Dank für Deine Rückmeldung, und vorallem dafür, daß Du Dich durch meine langen Beiträge gekämpft hast ! Ich freue mich riesig, wenn jemand mitliest.


    Leider ist der Vergleich des astigmatischen Sternabbildes mit den um 90° verdrehten Ellipsen des - jeweils ein Mal (vorne und hinten) - mit dem schweren Hammer bearbeiteten (und zwischen den "Bearbeitungsvorgängen" noch um 90° gedrehten) DFB-Pokals immer noch nicht 100% richtig; ... der Vergleich "hinkt" noch.


    In Wirklichkeit sind die zwei (um 90° verdehten) Ellipsen vorne und hinten am Pokal auch noch "in sich" verkippt <X, ungefähr vergleichbar mit einem "schiefen" Fischmaul (Oberlippe länger als Unterlippe oder umgekehrt): http://www.angelstunde.de/wp-content/uploads/Fischmaul-Stellung-was-Maulformen-über-den-Fisch-verraten-4.png ;);).


    Im Ernst, ... man kann das auf dem folgenden Bild von Vladimir Sazek schön sehen. Die "schiefen" Strahlen kommen dort im 45° Winkel zur optischen Achse am Hohlspiegel an und dadurch wird der Strahl vom Stern an der "Unterlippe" viel früher abgelenkt als an der "Oberlippe", was die "perspektivische" Verformung des Sternabbildes zu einem "schiefmäuligen, malträtierten DFB-Pokal" bewirkt, siehe - aber nur für eine der beiden Ellipsen-Richtungen des Doppelfokusses - auch den "Tellerdrehtest" weiter oben):


    https://www.telescope-optics.net/astigmatism1.htm   copyright: Vladimir Sazek


    N.B.: Vladimier Sazek sagt im englischen Begleit-Text zum Bild auch noch, daß das kleine "Profil"-Bild ganz rechts um 90° gedreht ist. Es handelt sich um das Bild im 2. Teil des Fokus. [Die Linien der horizontalen (Ost-West) Begrenzungs-Strahlen des Sterns sind aber im Bild links nicht eingezeichnet, sondern nur die vertikalen (Nord-Süd) Begrenzungs-Strahlen, die im 1. Teil des Fokusses fokussieren; = Bild in der Mitte].


    Lieben Gruß