Hallo !
Der letzte Beitrag zu sphärischer Aberration und Farbquerfehler, hat mich auf die Idee gebracht, optische Fehler gegenüberzustellen, d.h. als Gegensatzpaar darzustellen. Ich finde, wenn man Gemeinsamkeiten und Gegensätze vergleicht, versteht man die Fehler leichter, als wenn man sie sich sich einzeln zu Gemüte führt.
Fangen wir also damit an, was die beiden Fehler gemeinsam haben : es geht um “schiefe” Strahlen.
1. Vorbedingungen der Diskussion (“Absteckung des Rahmens”)
Sieht man sich Beiträge und Bilder über optische Fehler im Internet an, so werden die Fehler meistens anhand von Strahlen dargestellt, die parallel zur optischen Achse auf eine Linse fallen; und das unabhängig davon, ob die einfallenden Strahlen nahe an der optischen Achse liegen (innen) oder weiter entfernt (außen).
Man muß sich aber ganz klar machen, daß die Darstellung der auf die Linse fallendenen Strahlen als achs-parallele (!) Strahlen nur ein “idealisierter” und (für die Darstellung) vereinfachter Ausschnitt dessen ist, was da tatsächlich an Strahlen auf die Objektivlinse oder auf den Spiegel “aufprallt”.
Ich rede also nicht davon, daß Strahlen von Sternen (die ja “Rundumstrahler” sind), parallel bei uns ankommen, (weil aus dem Unendlichen kommend), sondern davon, daß die Strahlen, wenn sie auf die Linse fallen, “parallel” zur optischen Achse einfallen (und nicht schräg dazu). Durch die konvexe “Wölbung” der Linse werden ja auch Sterne im Fokus abgebildet, die sich außerhalb einer gedachten geradlinigen Verlängerung des Tubusdurchmessers nach vorne befinden: das Gesichtsfeld am Himmel ist größer als der Tubusdurchmesser.
Man kann sich das so vorstellen, daß die genannten Abbildungen im Internet sozusagen von der Voraussetzung ausgehen, vor dem Objektiv befände sich eine Taukappe, die so lang ist, daß sie bis an das beobachtete Objekt (nehmen wir als Beispiel den blauen Stern) heranreicht: Strahlen, die von der Seite einfallen (roter Stern), werden da sprichwörtlich “ausgeblendet”. (Weitere Methaphern zum Verständnis sind “der Blick durch die Klorolle” , die “Lochkamera” oder einfach nur eine Blende).
In der Realität gibt es aber daneben auch noch die (zwar auch parallelen, weil aus dem Unendlichen kommenden, aber) schräg auf die Linse fallenden Strahlen. Diese Strahlen, die eher vom Rande des wahren Gesichtsfeldes des Teleskops am Himmel kommen (weil die Strahlen in der Mitte des Gesichtsfeldes ungefähr rechtwinklig auf das Objektiv fallen und damit ziemlich “achsparallel” sind), führen - trotz Korrektur der Optik für die bekannteren Fehler, wie Kugelgestaltsfehler oder Farbfehler - eine Reihe von weiteren optischen Fehlern ein, wie eben gerade den Astigmatismus und die Koma. ... Deshalb hat der “Tunnelblick” mit seinen achsparallelen Strahlen schon seinen “diskreten Charme”.
- [Ich möchte bei den “Vorbedingungen” auch noch erwähnen, daß ich das Ganze vorallem zu meinem eigenen Verständnis schreibe (einer meiner Professoren auf der Uni hat mal gesagt: “erst wenn man ein Buch über eine Materie geschrieben hat, hat man die diese verstanden”). Meine Ausführungen enthalten mit Sicherheit Irrtümer, zumal ich auf einem Forum schreibe und nicht für einen Wissenschaftsverlag. Ich bin für Kritik sehr offen ; außer für rein formel-mathematische, die ich nicht verstehe. Wenn mir aber ein Mathematiker Fehler in meiner Darstellung vollkommen ohne Formeln erklären will, bin ich ganz Ohr. Daraus folgt auch: Meine Darstellung ist eine ganz einfache Darstellung, die aus eigenen Beobachtungen abgeleitet ist, die man als “Visueller” am Fernrohr machen kann und aus daraus folgendem Nachdenken, Lesen, Nachdenken, Lesen, Nachdenken, usw.. ... ...Mit “Zernike Polynomen” Der Zernike Zoo (von “Piston” über “Tetrafoil” bis “Quaternal”) und / oder “higher order optical aberrations” habe ich deshalb wirklich nichts am Hut].
2. Astigmatismus
Damit wären wir also beim Thema. Der erste zu besprechende Fehler wird oft mit einer etwas längeren Terminologie auch als “Astigmatismus schiefer Bündel” bezeichnet; ... eben gerade weil es hier um schief einfallende Strahlen geht. Was passiert aber jetzt genau mit den schief einfallenden Strahlen ?
Um das zu erklären, greifen die Optik-Spezialisten erneut auf eine Vereinfachung zurück: anstatt die Effekte der schiefen Strahlen rund um das Sternscheibchen-Abbild zu beschreiben, also so :
werden nur zwei Aspekte berücksichtigt:
(1) die vertikalen Strahlen, die das Stern-Abbild formen
und
(2) die horizontalen Strahlen, die das Stern-Abbild formen.
Das ist, wegen der noch zu erklärenden “Kreuzform” des Astigmatismus, eine sehr plausible Darstellung. Das Ganze sieht dann so aus:
In der senkrechten Ebene des Stern-Abbildes werden die Strahlen kürzer gebrochen (vereinigen sich früher hinter Linse), als in der waagrechten Ebene des Stern-Abbildes. es gibt also einen vertikalen (auch meridionalen oder tangentialen) Fokus und einen horizontalen (auch sagittalen) Fokus. (Die Begriffe “sagittal” und “tangential” erscheinen mir vollkommen sinnlos, "meridional" erscheint verständlich ... vergeßt die beiden anderen einfach, wir nehmen "senkrecht" und "waagrecht" !).
Wie kommt das zustande ? Wieso ist bei schief einfallenden Strahlen der vertikale Fokus des Stern-Abbildes vor dem Fokus der horizontalen Strahlen des Stern-Abbildes ? ... Dazu muß ich noch kurz ausholen. Es gibt meiner Meinung nach 3 Arten von Astigmatismus:
- den “natürlichen” Astigmatismus (Bild von soeben), der - zum Rande des Geischtsfeldes hin - dadurch ensteht, daß die die Strahlen schief auf eine perfekt senkrecht zur optischen Achse stehende Objektivlinse fallen
- den “Verkippungs”-Astigmatismus, der dadurch entsteht, daß die Strahlen zwar exakt “gerade” in das Fernrohr einfallen, d.h. parallel zur optischen Achse des Fernrohres, aber die Linse verkippt ist. ........................................................................................................................................ ... [(1) und (2) sind eigentlich identisch, denn es ist ja egal, ob die Strahlen schief einfallen und die Linse senkrecht steht, oder ob die Strahlen “gerade” in’s Fernrohr fallen und die Linse schief steht. Allerdings sieht man im ersten Fall, den Astigmatismus eigentlich nur bei Sternen am Rande des Gesichtsfeldes (weil nur Strahlen dort stehender Sterne schief einfallen, während man bei einer verkippten Linse den Asti auch im Zentrum und bei achsparallel einfallenden Strahlen sieht].
- den Astigmatismus “im Glas”, der dadurch entsteht, daß die Linse / der Spiegel nicht perfekt rund geschliffen ist, sondern irgendwie oder irgendwo oval ist. Die Ovalität braucht nicht überall im Glas zu sein, das Glas kann oben “auf der Kuppe” rund sein und am unteren Rand der Linse ebenso, aber in der mittleren “Glasschicht” oval. Wenn man eine plakonvexe (also auf einer Seite plane) Linse nimmt, kann man eine solche die Linse mit einem “Tirolerhut” vergleichen : oben ist sie rund, unten an der Krempe ebenfalls, aber in der Mitte sind Dellen: https://www.hutstuebele.com/Ti…-Wollfilz-von-HUTTER.html (Glücklicherweise ist dieser Fall heute - wegen höherer Fertigungsqualitäten - selten geworden, ... im Gegensatz zu noch vor ein paar Jahrzehnten).
Ich nehme den 2. Fall (verkippte Linsen) zur weiteren Darstellung, weil der wohl am meisten auffällt (der 1. Fall tritt ja eher am Rand des Gesichtsfelds auf und wird deshalb oft gar nicht gesehen). Die verkürzte Brechung der Strahlen in senkrechter Richtung führt dazu, daß das durch die Linse in senkrechter Richtung produzierte Stern-Abbild “perspektivisch” verkürzt wird. Das sieht dann so aus (siehe besonders im Kasten rechts unten im Bild) :
Sorry, das Bild erscheint jetzt ein bißchen überfrachtet. Das ist, weil ich alles in ein Bild packen wollte. (Ich habe das gemerkt und hätte mehrere Bilder machen sollen, hatte aber keine Lust neu zu zeichnen).
Um den Betrachteransatz zu vereinfachen, habe ich deswegen aus dem Bild - mittels “Inlets” - drei Bilder gemacht: den Kasten oben links (Ausgangspunkt), den Kasten unten rechts (Ergebnis) und das Mittelbild (ohne Kasten).
(1) Ausgangspunkt (Kasten oben links im letzten Bild)
Stellen wir uns vor, wir könnten sekundenschnell zwischen einem Planeten , der den roten Stern umkreist, und unserer Erde hin- und herspringen (durch "Beamen"). Wir betrachten das Ganze vom roten Planeten aus, können aber unser defektes Teleskop (verkippte Linse) auf der Erde so einstellen, daß sich der rote Stern genau unter der Mittelachse des Tubus auf der Erde befindet (senkrecht unter der richtigen optischen Achse = der des Tubus). (Der grüne Stern steht waagrecht zur optischen Achse, die blauen haben jeweils ein bißchen von der “Waagrechtizität” und der “Senkrechtizität” zur optischen Achse).
(2) Längsschnitt (mittleres Bild)
Wenn wir jetzt in den Längsschnitt gehen (vom roten Planeten zu unserem Teleskop auf der Erde), sehen wir, daß die Verkippung der Linse (mit dem Oberteil nach hinten) bewirkt, daß der “obere” Strahl vom Stern vor der Linse länger ist (als der untere) und somit logischerweise nach der Linse (Brechung) kürzer, als wenn die Linse senkrecht stünde (UND der Strahl parallel zur Tubusachse einfiele). Dasselbe gilt auch dann wenn nur eine der gerade genannten Bedingungen (schiefer Strahl ODER oben nach hinten verkippte Linse) erfüllt ist. Ist die Linse dagegen umgekehrt oben nach vorne verkippt, könnte auch mal (seltener Fall !) eine Kompensation eintreteten.
Umgekehrt ist der “untere” Strahl des Sternabbildes vor der Linse kürzer und hinter der Linse länger.
(3) Ergebnis (Kasten unten rechts im letzten Bild)
So jetzt kommt die Quizfrage: wenn das eigenlich kreisrunde Stern-Abbild des roten Sterns oben / unten verkürzt und unten / oben verlängert wird (hängt davon ab, ob man durch's Objektiv oder durch den OAZ schaut), wie sieht es dann für eine Beobachter aus, der es auf der Tubusachse von vorne (durch’s Objektiv oder von hinten durch den Okularauzug) anschaut ? ... ... ...
Richtig, wie ein Strich in der Landschaft ! Und zwar wie ein Querstrich (und nicht wie ein Längsstrich, obwohl wir die Nord- und Südstrahlen des Sternes betrachten). Weil nämlich das Oberteil des Stern-Abbildes nach hinten (oder vorne) wegkippt (je nachdem ob man auf der Achse durch’s Objektiv oder den OAZ schaut) und das Unterteil des Sternabbildes nach vorne (oder hinten).
Man kann das sehr gut an einem Essteller testen, den man sich - im Armlängen-Abstand - vor die Nase hält (und um die Achse zwischen den Händen (= waggrecht) verdreht.
Das sieht man auch im Kasten unten rechts im letzten Bild, wo von unten (der rote Stern ist ja unten vor der Linse) nach oben der Effekt der Verkippung auf das Stern-Abild dargestellt ist, bis schließlich im Fokus (= oberes Sternscheibchen) nur noch ein waagrechter Strich übrigbleibt.
Bei den waagrechten (Ost- und West-) Strahlen ist dagegen von der Verkippung wenig zu sehen; der waagrechte Teil des Stern-Abbildes bleibt also im Prinzip rund wie vorher (siehe aber den Hinweis im Bild).
Jetzt kann man das ganze auch noch mit dem grünen Stern im Bild (der genau waagrecht zur Tubusachse steht) und waagrecht (links-rechts) verkippter Linse (!) durchexerzieren und wird zu dem Ergebnis kommen, daß der Strich dann ein senkrechter Längsstrich ist.
Und für alle blauen Sterne (oder beidseitig verkippte Linse) ? .................................... (Edit: ab hier geändert): ...................... Es entsteht jeweils ein Strich in der entsprechenden Quer-Richtung zur (vom Zentrum aus) diagonalen Position des Sterns.
Was ich noch nicht verstanden habe, ist warum im Fokus ein Kreuz (aus zwei entgegengesetzten Strichen) entsteht, die um 90° versetzt sind: Es ist sicherlich richtig, daß im Fokus alles umgedreht wird; ich verstehe auch daß die Nord- und Süd- Enden, sowie Ost- und West- Enden des - deformierten - (Strich-) Sternabbildes im Fokus vertauscht werden, ... ... aber wie durch den Durchgang durch den Fokus der Querstrich zum Längsstrich wird ist mir völlig schleierhaft.
Ich stelle das weiter unten (3. Beitrag hier) mal zur Diskussion !
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[Sorry, jetzt bin ich müde von soviel Asti und ich werde mir erstmal einen Spumante reinziehen. Die (Abgrenzung zur) Koma folgt. Nur soviel sei schon verraten. Die Koma ist eine Kombination aus sphärischer Aberration (mein letzter Beitrag hier obendrüber) und Asti. [Die Korrektur des Kugelgestaltsfehlers (Umformung des Kugelausschnittes, beim Spiegel zum Paraboloid) erfolgt nämlich nur für achsparallele Strahlen, für die schiefen Strahlen besteht das Problem weiter und kombiniert sich dann mit dem Asti].