Okular-Mythen enttarnt oder warum 60° scheinbares Okular-Gesichtsfeld ungefähr 1° wahrem Gesichtsfeld am Himmel entspricht

  • Hallo !


    Die Begündung für die (ur-)alte Faustregel, daß 60° scheinbares Okular-Gesichtsfeld ungefähr 1° wahrem Gesichtsfeld am Himmel entspricht, habe ich vor Jahrzehnten mal auf Cloudy Nights (?) oder woanders gelesen und sie hatte mich damals überzeugt.


    So eine Regel leuchtet - natürlich - nicht sofort ein, weil man gewohnt ist an die Abhängigkeit des wahren Gesichtsfeldes am Himmel von der Vergrößerung zu denken. ... Und diese Abhängigkeit besteht natürlich auch so.


    Wie kann man denn dann so etwas behaupten, bzw. eine solche Regel aufstellen ? Und ganz besonders noch behaupten, daß die Regel für alle Fernrohrbrennweiten gelte (wo doch die Vergrößerung, und damit das wahre Gesichtsfeld am Himmel, gleichzeitig von der Fernrohr- und von der Okular-Brennweite abhängig ist) ?


    Leider habe ich den Beitrag auf Cloudy Nights nicht wiedergefunden. Also habe ich aus den Bruchstücken meiner Erinnerung mit einer Excel-Tabelle versucht, den Zusammenhang zu re-konstruieren. Diese Rekonstruktion ist Gegenstand des folgenden Beitrags.



    Zunächst aber noch eine Klarstellung:

    • Das scheinbare Gesichtsfeld des Okulares ist unabhängig vom Teleskop. Es handelt sich um den Winkel, unter dem der - ausschließlich durch das Okular schauende - Betrachter aus dem Okularbrennpunkt heraus (von der Augenlinse aus) den Abstand zwischen dem linken und rechten (oder dem oberen und unteren) Rand der Feldblende des Okulars sieht. (= Winkel ε im sogleich folgenden Bild und Link).
    • Das wahre Gesichtsfeld am Himmel ergibt sich aus der Kombination von Fernrohr und Okular und ist = der Winkel unter dem ein durch das Objektiv schauender Betrachter den Rand der Feldblende des Okulares sieht. (= Winkel α im sogleich folgenden Bild und Link).


    Dazu folgendes Bild, welches von dem Herrn stammt, der DAS Optik-Referenz-Buch im Internet geschrieben hat, von Vladimir Sacek: http://www.telescope-optics.net/eyepiece1.htm: (zum copyright: Herr Sacek hat mir persönlich -per e-mail - erlaubt, seine Bilder auf diesem Forum hochzuladen)




    [Edit: stört Euch nicht an dem halben Winkel im Bild; der Herr Sacek erklärt im Text zur Erklärung von "TFoV" und "AFoV" ("true field of view" und "apparent field of view"), daß: "... here, both are presented as field radius; often times, the terms are also used for the field diameter".



    Zurück zur Rekonstruktion der Begründung der Faustregel:


    Es handelt sich um eine (ur-)alte Faustregel. Ich habe noch in Erinnerung, daß der Autor schrieb (=Voraussetzung ?), man könne ja mit egal welchem Teleskop kaum jemals mehr als 1° am Himmel sehen. Dabei muß man bedenken, daß es vor 50 Jahren weder die große Öffnungsverhältnisse wie f/4 an Newtons und f/7 an Refraktoren gab, noch Okulare, die scheinbare Gesichtsfelder hatten, die deutlich über ein Plössl hinausgingen. Erfle Okulare (60° scheinbares GF) waren das höchste der Gefühle und die meisten Amateure hatten 0.96 Zoll Okularauszüge und Okulare. Vom Öffnungsverhältnis her lagen "kurzbrennweitige" (!) Newton Teleskope bei f/12 und "kurze" Refraktoren bei f/15.


    Ich meine also daß die Regel früher als allgemeine Regel für das maximal mögliche wahre Gesichtsfeld für egal welche Teleskop-Brennweite gedacht war, weil die Brennweiten der Teleskope so viel länger waren.


    Mit den f/4 Teleskopen ist das heute natürlich nicht mehr so. ... ... Man kann die Regel aber auf die heutigen Verhältnisse anpassen.


    Sie lautet dann:


    «Bei mittlerer Okularbrennweite, entspricht 60° scheinbares Okular-Gesichtsfeld ungefähr 1° wahrem Gesichtsfeld am Himmel».


    (Mit mittler Okularbrennweite meine ich dabei die Mitte der durchschnittlichen Okularpalette eines Amateur-Sternguckers, die ungefähr zwischen 40 mm und 3.5 mm liegen sollte: 40 - 3.5 = 36.5 /2 = = 18.25 = 18 mm Okularbrennweite).


    Die Regel würde also vom maximalen wahren Gesichtsfeld (bei einem 40 mm Okular, ... ich weiß gar nicht, ob der damalige Threadersteller überhaupt 2 Zoll Okulare mit einbezogen hatte; ... ist aber auch egal) zum mittleren wahren Gesichtsfeld (18 mm Okular) verschoben.


    Um die folgende Excel Tabelle zu erstellen,



    mußte ich dann aber erstmal die Brennweite eines «Standard-Amateur-Teleskops» definieren. Nach etwas Überlegen, bin ich von Fernrohrbrennweiten zwischen den Extremen von 800 mm (f/4 Newton bei 200 mm Spiegel-Ø = f/8 Refraktor bei 100 mm Objektiv-Ø, usw., einerseits) und 1500 mm (= f/10 Refraktor bei 150 mm Objektiv-Ø = f/5 Newton bei 300 mm Spiegel-Ø , usw., andererseits) ausgegangen. Die meisten Amateurteleskope liegen in diesem Bereich.


    Dann habe ich die wahren Gesichtsfelder für Okulare zwischen 3.5 mm und 40 mm berechnet. Dabei habe ich zur Kontrolle, neben den Sacek’schen Formeln, bzw. - für die Berechnung der Feldblende - neben der Formel von Starman1 (https://www.cloudynights.com/t…eyepiece-afov-calculation/ (Beitrag Nr. 9), immer noch eine weitere allgemeinbekannte Formel benutzt oder die Angaben von Televue und anderen Herstellern herangezogen (Spalten mit grauer, schräggestellter Schrift und Zahlen in der Tabelle). .


    Danach habe ich die Okularbrennweiten herausgesucht, die bei den Extremen von 800, bzw. 1500 mm Teleskopbrennweite, jeweils 1.0 Grad wahres Gesichtsfeld bringen (rosa unterlegte Felde in der Tabelle).


    Bei der Okular-Brennweite, bei der das kurzbrennweitige Teleskop wahres Gesichtsfeld am Himmel bringt, erreicht das langbrennweitige 0.5° (rund 1 Vollmonddurchmesser). Bei der Okular-Brennweite, bei der das langbrennweitige Teleskop 1° bringt, bringt das kurzbrennweitige knapp 2° (also rund 4 Vollmonddurchmesser).


    In diesem kleinen Bereich (0.5°-2.0°) spielt sich also fast (ich weiß, es gibt widefield-Freaks, und man kann in Ausnahmefällen auch auf 3° kommen) die ganze Welt der Amateur-Astronomen und ihrer Teleskopen ab; ... ... mehr iss nich ! (... Auch nicht mit 100° Okularen, weil es die nicht in «langbrennweitig» gibt).


    Dann habe ich das Okular in der Mitte der Amateurpalette genommen (also ein 18 mm Okular; siehe weiter oben) und das wahre Gesichtsfeld ermittelt, welches dieses Okular je nach Okulartyp (von ortho bis Ethos) liefert (grün unterlegte Linie in der Tabelle).


    [Die 18 mm «Festlegung» hat übrigens - wie die 1° Festlegung auch - dazu geführt, daß ich bei manchen Okulartypen (um vergleichbare Ergebnisse zu erreichen) mit Okularen (18 mm) gerechnet habe, wo der Hersteller ein solches gar nicht anbietet, sondern z. B. nur ein 17 oder 19 mm Okular führt. In solchen Fällen konnte ich dann natürlich auch meine Feldblenden-Durchmesser-Berechnung nicht verfizieren].


    Schließlich habe ich, um die Übersicht in der Tabelle zu bewahren, alle Okularbrennweiten entfernt, die nicht entweder:

    • die längste (40 mm) oder die kürzeste (3.5 mm) Okularbrennweite einer «Standard»-Okularpalette darstellten, oder
    • (bei den beiden ausgewählten Extrem-Fernrohrbrennweiten) auf 1° Gesichtsfeld fielen (rosa Felder), oder
    • die Mitte (18 mm Okularbrennweite = grüne Linie) darstellten.

    Damit kann man - in der Tabelle - am Okulartyp, bzw. an dessen scheinbarem (!) Gesichtsfeld, ein wahres Gesichtsfeld festmachen, welches dieser Okulartyp (mit seinem «Standard»-scheinbarem Gesichtsfeld), unabhängig von der Fernrohrbrennweite, durchschnittlich erreicht. Das sieht dann so aus daß man folgenden Okulartypen bei mittlerer Okularbrennweite (und unabhängig von der Fernrohrbrennweite) folgendes mittlere wahre Gesichtsfeld zuordnen kann:


    • Ortho (44°): 0.75°
    • Plössl (52°): 0.9°
    • Erfle (60°): 1.0°
    • Hyperion, Pentax XW (68°): 1.2°
    • Nagler, Meade UWA, ES (82°): 1.4°
    • Ethos, ES, XXW (100°): 1.7°


    Ich habe auch das maximal mögliche wahre Gesichtsfeld angegeben (gelb unterlegt), weil das meiner Meinung nach - bei den früheren langen Brennweiten - der Ursprung der Regel war.



    ... und damit wäre ich dann bei den Mythen:


    Wie man sieht (gelb unterlegte Felder) erreicht man mi einem 40 mm Plössl dassselbe wahre Gesichtsfeld am Himmel, wie mit einem 21 mm Ethos (weil es letztere nicht in längeren Brennweiten gibt).


    Wenn man ein 55 mm (Televue) oder 56 mm (Meade) Plössl nimmt (die außerhalb der Konkurrenz laufen, weil sie in der Durchschnitts-Okularpalette eines Amateurs nicht vorhanden sind), erreicht man 1° mehr an wahrem Gesichtsfeld, als mit dem 19 mm 100° Ultra-Weitfeld Okular und immer noch 0.5° mehr als mit dem 31 mm Nagler (einfach weil längerbrennweitige Okulare mit 82° oder 100° technisch nicht machbar sind) .


    So why the hype around the 100° eyepieces ?


    Die größeren scheinbaren Gesichtsfelder der Okulare führen dazu, daß ein wahres Gesichtsfeld (am Himmel) von 1° früher (von den kurzbrennweitigen zu den langbrennweitigen Okularen hin betrachtet), d.h. schon bei höheren Vergrößerungen, erreicht wird, als mit kleineren scheinbaren Gesichtsfeldern.


    And that’s all ! Man kann das in der Spalte «wahres Gesichtsfeld» der Excel-Tabelle sehr schön sehen. Während man 1° Grad wahres Gesichtsfeld - je nach Fernrohrbrennweite - mit dem Ortho erst mit Okularen am langen Ende der Palette erreicht (18, bzw. 34 mm; ... rosa unterlegte Felder)), liegt sie Spanne beim Plössl schon zwischen 15 und 29 mm, bei Erfle und Co. zwischen 13 und 25 mm, beim Hyperion zwischen 12 und 22 mm, bei Nagler und Co zwischen 10 und 18 mm und schließlich bei Ethos und Co zwischen 8 und 15 mm.


    Der Bereich, in dem man 1° oder mehr Gesichtsfeld am Himmel sieht, wird also von den langbrennweitigen (z. B. 40 mm) Okularen («klassische Okulare») hin zu kürzerbrennwetigen Okularen («moderne Okulare») verschoben.


    Damit kann man mit modenen Okularen bei gleichem Gesichtsfeld höher vergrößern, was möglicherweise einen Gewinn an Details bringt.


    .... Aber dann, wenn man mal die mit dem 31 mm Nagler oder dem 19 mm Ethos (längste Brennweite) erreichbaren Vergrößerungen mit denen des 40 mm Plössls (55 und 56 mm außen vor) vergleicht (4. Spalte in der Tabelle), da stellt sich einem schon die Frage, ob diese geringe Differenz den Preisunterschied wert ist.


    Es bleibt also letztendlich nur die Tatsache übrig, daß man mit einem «Super- oder Ultra-wide angle» Okular etwas mehr dunklen Rand um das betrachtete Objekt sieht und so «aus den Augenwinkeln heraus» vielleicht noch etwas wahrnehmen kann / könnte, was man sonst verpassen würde (z.B. die Galaxie NGC 6207 neben dem Kugelsternhaufen M 13). ... Aber auch die Galaxie NGC 6207 dürfte in den meisten Fällen schon mit im feld des 40 mm Plössls stehen (30› Abstand). .


    Als «conclusio» zum Thema scheinbares gegen wahres Gesichtsfeld scheint sich also mal wieder ein alter Spruch zu bewahrheiten:


    «Der Schein trügt» ! ... Es kommt auf das wahre Gesichtsfeld (Teleskop und Okular zusammen) an !

    Vielleicht hilft's ja dem einen oder anderen bei einer Entscheidung ! (Konstruktive Kritik gerne willkommen)


    Clear Skies


    Noch ein Edit: Ich habe, bei der Bestimmung der Durchschitts-Fernrohrbrennweiten, die ganz kleinen Fernrohre und - vorallem - die Schmidt-Cassegrains vergessen. Desh&alb habe ich das Ganze nochmals mit Fernrohrbrennweiten zwischen 750 mm und 2000 mm durchgespielt. Ergebnis: es ändert sich fast nichts. Die Abweichungen bei den Standard-Gesichtsfeldern pro Okulartyp (letzte Spalte) liegen bei 0.03 Grad und auch die Maximalgesichtsfelder (4. letzte Spalte) ändern sich nur minimal. Siehe den 2. PDF in der Anlage.

  • Hallo Rudi,

    ich hab deine Tabellen nur überflogen, daher kann ich keine hochqualifizierte Antwort geben.


    Kann es sein daß du ohne es zu wollen eine Konstruktionskonstante oder "Daumenwert" für Optik-Designer gefunden hast?

    Ergibt sich ein Punkt in der Nähe 60°/60'' vielleicht automatisch weil Steigung und Nullpunkt auf einer X/Y-Darstellung so gewählt sind, ja gewählt sein müssen aufgrund von optischen Gegebenheiten? Vielleicht passt ja sonst was anderes nicht?


    Gruß

    Detlev

    "Das Universum ist nicht dazu verpflichtet für dich irgendeinen Sinn zu ergeben!" (N. D. Tyson)


    Bresser 10x50 | 150/750 Dobson | 70/700 Skylux Refraktor | 200/1000 Zollstock-Dobson
    Im Bastelkeller: 8"f/6 Spiegel | 76/700 "Tchiboskop"-Newton


    https://astronomiefreunde-kn.de/

  • Hallo Rudi,


    Deine Tabellen sind sehr wertvoll und zeigen die Fakten recht nüchtern!


    Ich glaube, hätte ich ein nachgeführtes Teleskop, hätte ich mich nicht für die Ethos entschieden. Kommend von Pentx XL/ XW aus vergangenen Jahren, habe ich mir nach meinem Neueinstieg in das Hobby eine kleine Reihe Ethos zugelegt.

    Grund war die Entscheidung für einen Dobson und da ist ein großes Gesichtsfeld, bei gleichzeitig hoher Vergrößerung, vorteilhaft. Und so gibt es zumindest für mich auch eine "gefühlte" Komponente, die ein Beobachten mit diesen Okularen zur Freude macht.

    Die Nachteile dieser wuchtigen Dinger darf man aber nicht verschweigen: So richtig toll wird der Anblick in Teleskopen mit entsprechendem Öffnungsverhältnis (bei mir f/4,3) erst mit einem Komakorrektor (z.B.Paracorr). Dann wiegt diese Okularkombination plötzlich 1,5 Kg, was einen vor Gleichgewichtsprobleme stellen kann.

    Ein Pentax XL40 befindet sich noch in meinem alten Okularkoffer.

    Nach Deinem Bericht werde ich bei nächster Gelegenheit nochmals bewusster überprüfen wie beide Okulare sich im Dobson verhalten (Etos21 --> FOV 1,02° bei 98 fach und XL40 FOV 1,2° bei 51 fach, mit Paracorr, Werte nach SkySafari)

    Viele Grüße,


    Thomas

  • Hallo Detlev und Thomas,

    vieelen Dank für Eure Rückmeldungen !

    Bin ehrlich gesagt, immer noch am Grübeln, warum das so zu sein scheint = ist ? Ich bin da dabei mit der Trigonometrie rumzuwurschteln, bin aber eigentlich das genaue Gegenteil von einem (algebrischen) Mathematiker. .... Ich brauche also noch ein bißchen Zeit.

    Melde mich !

    Rudi

  • Hallo Rudi,


    vielleicht hilft es dir die Ergebnisse als Graphen zu sehen. Mit Excel kann man auch Kurven/Graphen basierend auf Wertepaaren so wie in deinen Tabellen zeichnen.

    Anleitungen findest du wenn du z.B. nach "Excel Graphen zeichnen" googlest. Videos dazu gibt es bestimmt auch im Netz.


    Im Grunde genommen hast du ja deine Werte ja auch über Formeln bekommen, also könnte man diese erneut benutzen um ggf Lücken zu füllen oder die Auflösung der Graphen zu erhöhen. Wenn du hochgenaue Bilder von (interpolierten) Kurvendaten mit feinen Linien benötigst, dann fällt mir neben "Maple" und "Mathematica" im Moment nur das gute alte gnuplot ein, das schon zu DOS-Zeiten im EInsatz war und immer noch weiterentwickelt wird. Vor 20 Jahren hab ich mal was damit gemacht, aber inzwischen alles vergessen.


    Viel Spass bei der Analyse!


    Detlev

    "Das Universum ist nicht dazu verpflichtet für dich irgendeinen Sinn zu ergeben!" (N. D. Tyson)


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  • Hallo,


    so ich denke, ich habe es jetzt !


    Die Frage war: Warum entsprechen - bei einer mittleren Okularbrennweite von 18 mm (= Mitte der Durchschittsokularpalette eines Amateurastronomen) - 60° scheinbares Gesichtsfeld = 1° (60’) wahrem Gesichtsfeld am Himmel; und dies unabhängig von der Fernrohrbrennweite ?


    Die Antwort ist: weil der Winkel unter dem man die Feldblende (des Okulars) betrachtet, vom Objektiv / Spiegel aus gesehen (= wahres Gesichtsfeld = Winkel α im ersten Bild meines ursprünglichen Beitrags oben) bei 60° scheinbarem Gesichtsfeld des Okulars zufällig IMMER ungefähr 60 mal kleiner ist, als der Winkel (= ε) unter dem man dieselbe Feldblende vom Okularbrennpunkt aus betrachtet (= scheinbares Gesichtsfeld).


    (Meine Zeichnung ist natürlich absolut nicht maßstabsgerecht, bin schon froh, das überhaupt so hinbekommen zu haben).


    Bei einem Okular mit 60° entspricht der Durchmesser der Feldblende immer ungefähr der Okularbrennweite ! (Zu dem "ungefähr" komme ich noch, siehe grüner Text weiter unten)


    Warum? ... Weil wir es - bei 60° - mit einem gleichseitigen Dreieck (= grün) zu tun haben; siehe linke Zeichnung. (Die optische Achse, die den 60° Winkel in zwei exakt gleiche Hälften teilt, führt dazu, daß das Dreieck gleichseitig sein muß.) ! Bei einem solchen Dreieck sind alle Seiten gleich lang und die 3 Winkel des Dreiecks haben jeweils 60°. Der Durchmesser der Feldblende des Okulars ist die «Querverbindung» des Dreiecks. Und diese «Querverbindung» ist genauso lang wie der Radius eines Kreises um den Brennpunkt des 60° Okulars (= +/- Okularbrennweite).





    Mit 6 Okularen des 60° Typs (= linke Zeichnung) kann man also den ganzen 360° Himmelskreis (entweder vertikal oder horizontal) übersehen (an Kugelberechnungen trau ich mich nicht ran; Trigonometrie ist bei mir das Maximum).


    Bei der Sicht von der Objektivlinse auf die Feldblende (= rechte Zeichnung) ist der Radius des Himmels-Kreises (=Fernrohr- und nicht Okular-Brennweite) um den Brennpunkt natürlich viel größer (hier wurde - zur Verdeutlichung - der Brennpunkt des Fernrohrs einfach auf die andere Seite gesetzt, ist ja egal solange die Fernrohrbrennweite gleich bleibt).und die Feldblende entspricht natürlich nicht dem Radius des Kreises, weil hier kein gleichsetiges Dreieck vorliegt


    So: und jetzt trage ich den Durchmesser der Feldblende (die «rote» Linie in der Zeichnung) auf die Kreise (um den jeweiligen Brennpunkt von Fernrohr und Okular) mit dem Radius


    (a) Okularbrennweite und

    (b) Fernrohrbrennweite

    auf.


    Dabei ergibt sich:


    (a) daß ich den Feldblendendurchmesser ungefähr 6 x auf den Kreis mit Radius Okularbrennweite auftragen kann (stimmt natürlich nicht genau, den der Kreis ist eine Kurve und der Weg «in der Kurve» ist länger als die Kombination der 6 geraden Strecken der 6 "Quervervindungen» der gleichseitigen Dreiecke mit 60 ° Winkel; siehe hier 2. Bild = gif-Animation rechts: https://de.wikipedia.org/wiki/Radiant_(Einheit) , und


    (b) daß ich denselben Feldblendendurchmesser (rote Linie) IMMER ungefähr 60 x MEHR auf den Kreis mit Radius Fernrohrbrennweite auftragen kann, und das beinahe vollkommen unabhängig von der Fernrorhrbrennweite von Amateurteleskopen.


    Ich habe das Ganze ausgiebig simuliert:

    • wenn ich die Durchschnittsbrennweite des Fernrohrobjektivs auf die Mitte zwsichen 800 mm und 1500 mm lege, wie in der ersten Excel-Tabelle (pdf) und in meinem Beitrag oben erklärt, komme ich auf einen Faktor (= wieviel mal mehr kann die Feldblende auf den großen Kreis aufgetragen werden) von knapp unter 60x;
    • wenn ich die Durchschnittsbrennweite des Fernrohrobjektivs auf die Mitte zwsichen 700 mm und 2000 mm lege, wie in dem zweiten pdf (Excel-Tabelle) in der Anlage zu meinem Beitrag oben, komme ich auf eine Faktor (wieviel mal mehr kann die Feldblende auf den großen Kreis aufgetragen werden) von 65x;
    • und schließlich habe ich noch was ganz Extremes probiert: wenn ich ein Opernglas mit 100 mm Brennweite auf der einen Seite und ein C 11 mit 2800 mm Brennweite auf der anderen nehme, und daraus die Mitte ziehe, komme ich auf einen Faktor von 69x.


    Die Beziehung zwischen Kreisumfang und Radius ist aber:


    (1) Kreisumfang = 2 * π * r (adius),


    und in Umkehrung:


    (2) Radius = Kreisumfang / 2 * π



    Und da der Kreis 360° hat, ist halt das Ergebnis:

    • beim kleinen Kreis (Winkel zur Feldblende bei Kreis mit Brennweite des Okulars = Durchmesser Feldblende) = 360 / 6 = 60° (siehe 6 gleichseitige Dreiecke für den ganzen Himmel) und
    • beim großen Kreis (Winkel zur Feldblende bei Kreis mit Brennweite des Fernrohrs) = 60x weniger (!) = 360 / (60*6) = 360 / 360 = 1°.

    [Hat also auch damit zu tun, daß ein gleichsetiges Dreieck mit 60° Winkel 6 x in einen Kreis geht und 2 * π (= 2 * 3,14) = 6,28 (aus der Kreisumfangsformel) ganz nahe bei 6 liegt).


    ... Uff !

  • Hallo Rudi,


    meinen Glückwunsch zu deiner Entdeckung! Das klingt sehr schlüssig.

    Ich dachte mir schon daß du da nicht locker lässt.

    Na dann kannst du nach diesem Erfolg heute Nacht ja wieder durchschlafen ;)


    Viele Grüße

    Detlev

    "Das Universum ist nicht dazu verpflichtet für dich irgendeinen Sinn zu ergeben!" (N. D. Tyson)


    Bresser 10x50 | 150/750 Dobson | 70/700 Skylux Refraktor | 200/1000 Zollstock-Dobson
    Im Bastelkeller: 8"f/6 Spiegel | 76/700 "Tchiboskop"-Newton


    https://astronomiefreunde-kn.de/

  • Hallo Rudi,


    also da braucht man schon eine Weile -trotz der Lösung- dieses Thema nachzuvollziehen. Mir erscheint das logisch. Wenn ich richtig mitgedacht habe, gilt die Faustformel aber tatsächlich nur für "übliche Standardbrennweiten". Wären diese extrem in die eine oder andere Richtung verschoben, würden viel mehr oder viel weniger Dreiecke in den Fernrohrbrennweitenkreis passen? Es gibt also ein optimales Verhältnis von Okular- zu Fernrohrbrennweite (6/360 oder 1/60) damit diese 1° Gesichtsfeld bei 60° Okukaren passt. Somit wäre die Forderung bei einem f=25mm/ 60° Okular eine Fernrohrbrennweite von 25*60 = 1.500 mm. Das passt nach Deiner Tabelle auch.

    Respekt!

    Grüße, Thomas

  • Unterkorrigiert/ Überkorrigiert...und wie Okulare dazu reagieren...

    Mein erster Spiegel war unterkorrigiert und da gab es am Jupiter fast doppelte Konturen. Jetzt habe ich einen von Alluna - ja lange darauf gespart - aber der macht einfach Spaß, da für mich perfekt. Ich beobachte auch schon mal nicht "ausgekühlt". Und die Ethos machen mir auch Spaß, da ich eben einen Dobson habe und den von Hand nachschubsen darf. Meine Pentax XL/XW gebe ich deswegen nicht her...

    Letztlich halte ich es mit Fraunhofer: durchschauen...

    Ich finde Deinen Beitrag neugierig-humorvoll, und nicht verbissen

    Viele Grüße

    Thomas