Historischer Messingrefraktor 71/1150 unsigniert

  • Hallo liebe Astrofreunde,


    kürzlich habe ich einen alten Messingrefraktor bekommen. Den möchte ich nun hier vorstellen. Falls mir jemand einen Tip geben kann, wer dieses Fernrohr evtl. hergestellt haben könnte, bitte ich darum.


    Es handelt sich bei diesem Teleskop, um einen sehr schön erhaltenen, komplett aus Messing gefertigten, zweilinsigen, achromatisch korrigierten Refraktor mit dem dazu gehörenden Holz-Aufbewahrungskasten. Der Refraktor befindet sich in unrestauriertem originalzustand Zustand mit schöner Patina. Er sitzt auf einer Wiege bzw. auf einer drehbaren Messing-Rundsäule mit drei ausklappbaren Füßen, also azimutal. Den Hersteller konnte ich aber noch nicht herausfinden, da sich am gesamten Teleskop, weder auf der Objektivfassung, den Linsenrändern, noch sonstwo ein Hinweis zum "Erbauer" bzw. eine Signatur befindet.


    Zur detaillierten Beschreibung des Refraktors


    Die beiden unvergüteten Objektivlinsen befinden sich in einer Messing-Schraubfassung. Das Objektiv besteht aus zwei einzelnen Linsen wie bei einem klassischen Fraunhofer-Objektiv. Sie sind aber nicht verkittet, ölgefügt oder irgendwie anders miteinander verbunden.


    Es befinden sich auch keine Abstandsblättchen zwischen den Linsen, wie sie früher z.B. aus Bleifolie, bei Fraunhofer-Objektiven Anwendung fanden. Reste von „Linsenkitt“ sind auch nicht zu finden. Die beiden Gläser sind absolut sauber. Die Linsen liegen einfach super-passgenau ohne Abstandshalter aufeinander in der Messing-Schraubfassung. Sie passen so haargenau aufeinander, daß sie durch das Luftpolster dazwischen aneinander „kleben“ bleiben. Wenn man die vordere Linse anhebt, saugt sich die hintere Linse an der vorderen fest. Aber wir werden sehen !


    Die Objektiv-und auch die Okularlinsen sind ihrem Alter entsprechend in gutem Zustand, frei von Fungus und nicht eingetrübt. Die Linsenränder sind nicht geschwärzt. Auf der Objektivlinse befindet sich ein kleiner, nur oberflächlicher Kratzer und ein paar Putzspuren, die aber nicht im geringsten stören. Die optische Leistung wird dadurch, wie ich festgestellt habe, keineswegs beeinträchtigt. Am Tubus sind zwei kleinere Beulchen, die aber nicht tief sind und nur bei genauerem Hinsehen auffallen.


    Die Okulare (4 Stück) mit 30mm Steckdurchmesser, sind in deutscher, künstlerisch eingravierter Schrift, mit der jeweiligen Vergrößerungsangabe versehen. Aufschrift an z.B. einem Okular: " 50 mal. Vergr." Ein Okular ist leider beschädigt und nicht mehr so gut erhalten. Die Feldlinse fehlt und die Messinghülse ist verbeult.


    Der Refraktor hat mit eingesetztem und fokussiertem 50x -Okular eine Länge von knapp über 1,10 Meter. Der Objektiv - Linsendurchmesser beträgt genau 71mm (freie Öffnung). Die Brennweite beläuft sich auf etwa 1150mm (f/16). Im Tubus befindet sich eine Ringblende in der Nähe des Okularauszuges, die so dimensioniert und platziert ist, daß die volle Objektivöffnung von 71mm zur Wirkung kommt. Es wird nichts abgeschattet.


    Das außen rechts am Tubus angebrachte Fokussierrad, wirkt mit leichtem Spiel über eine durchgehende Drehachse auf ein Zahnrad, welches im Tubus auf dieser Achse sitzt. Dieses Zahnrad treibt die im Tubus befindliche Zahnstange und damit den Okularauszug an. Die Zahnstange ist vom Objektiv aus nicht sichtbar, da sie von o.g. Ringblende innen am Rohr des Okularauszuges verdeckt wird. Das Rohr des Okularauszuges bewegt sich relativ leicht und absolut shiftingfrei.
    Mit dabei ist noch eine Objektiv-Schutzkappe aus Messing, ein drehbarer Messingständer mit ausklappbarem Dreifuß und ein Sonnen-Beobachtungsfilter aus rotem Glas.


    Das in Messing gefasste und mit einem Gewinde versehene, tiefrote Sonnen-Glas, wird zum Beobachten, auf ein Okular geschraubt. Dieser Refraktor ist uneingeschränkt funktionsfähig, besitzt eine bemerkenswert gute Abbildungsqualität und liefert ein sehr scharfes, klares Bild.


    Da die beiden Linsen in der Fassung meines Erachtens zu viel Spiel hatten, entnahm ich das gesamte Objektiv samt Fassung. Es ließ sich leicht herausschrauben. Dann öffnete ich die Messinfassung und zog danach dünne Baumwollhandschuhe an. Ich markierte vorher die Linsenposition in der Fassung und nach Entnahme der Linsen, deren Position zueinander. Am inneren Rand der Fassung habe ich an drei verschiedenen Punkten jeweils ein Stückchen Velourfolie angebracht. Es war genau das, was gefehlt hat.


    Die Linsen haben dadurch jetzt deutlich weniger Spiel, sitzen aber nicht zu fest, um Verspannungen zu vermeiden. Diese Veränderung kann aber jederzeit mit wenigen Handgriffen Rückgängig gemacht werden, sodaß der Originalzustand jederzeit wieder hergestellt werden kann.


    Ich wagte nun einen Versuch. An einem guten 1 ¼“ Zenitprisma reduzierte ich an meiner Drehbank ein wenig den Außendurchmesser der Metallsteckhülse, so daß sie genau in den 30mm Okularauszug des alten Refraktors passt. So kann ich jetzt bei bequemem Einblickverhalten, handeslübliche Okulare an diesem schönen Gerät verwenden, ohne daß ich am Originalzustand des Refraktors etwas verändern muß.


    Mit meinem 1 ¼“ Zenitspiegel erreichte ich den Fokuspunkt nicht, dazu müsste ein Glaswegkorrektor benutzt werden und das wollte ich hier nicht. Und den den Tubus kürzen, kommt bei diesem Gerät nicht in Frage. Es soll original bleiben. Mit dem Prisma funktionierte es aber einwandfrei. Ich war sehr gespannt, ob der zusätzliche Glasweg vom Zenitprisma, die Optik des Refraktors beeinflussen wird.


    Nun zum Firstlight


    Beim visuellen Sternentest an Polaris, war die Sternabbildung beispielhaft. Seeing an diesem Abend 7/10 bis 9/10. Mit dem 1 1/4 Zoll Zenitprisma und einem optisch guten 6mm Superplössl-Okular, zeigt der Refraktor fokal bei ca. 190-facher Vergrößerung ein kreisrundes Airy Disk mit einem hauchdünnen, schwachen und ganz geschlossenen Beugungsring. Kein sichtbarer Astigmatismus oder Achskoma. Netter Anblick.


    Auch intra-und extrafokal zeigt sich das Beugungsbild annähernd identisch, schön rund und ohne Auffälligkeiten. Die Beugungsringe sind alle an beiden defokussierten Sternenscheibchen ganz klar definiert und rotationssymmetrisch. Kein ausgefranstes Sternenscheibchen und kein Oval das beim Wechsel von intra-zu extrafokal um 90 Grad kippt ! Asti habe ich ja ganz gerne, aber nur den Spumante.
    Ich war angenehm überrascht, hätte ich so nicht erwartet. Wirklich klasse.



    Es macht sehr viel Spaß, mit diesem Teleskop Sterne und Planeten zu beobachten. Die Sterne werden refraktor-like punktförmig, wie mit der Nadel ausgestochen, abgebildet. Der Farb-Längsfehler ist für einen achromatischen Refraktor in diesem Alter erstaunlich gering, was aber auch aus dem Öffnungsverhältnis von ca. f/16 resultiert.


    Am Planeten Jupiter waren bei ungefähr 190-facher Vergrößerung schöne Strukturen deutlich zu sehen und ein wirklich nur sehr geringer, nicht mehr störender „Blausaum“ wahrzunehmen. Die Ergebnisse der Beobachtungen von Jupiter und Mond bzw. der Sternentest waren bisher sehr vielversprechend.


    Vielleicht könnte man durch Einbringen von genau passenden Abstandsplättchen zwischen den Linsen noch eine Verbesserung herbeiführen. Ich halte es jedoch aufgrund der sehr guten Abbildung nicht für erforderlich.


    Es interessiert mich enorm, welcher Optikermeister vielleicht damals rund um die Stadt Rathenow, hier seine Finger im Spiel hatte. Vielleicht wurde er ja auch woanders gebaut.


    Ein paar Konstruktionsanalogien konnte ich zum Hersteller Dollond - London und Vion – Paris feststellen. Bin mir aber da nicht so sicher, da die Okulare in deutscher Schrift graviert sind. Ich habe im Internet viele Fotos von Teleskopen gefunden, die sehr ähnlich aufgebaut waren.
    Wenn ich die eingravierten Schriftzüge der Firma Jakob Merz, mit denen auf den Okularen meines Refraktors vergleiche, stelle ich fest, daß zum Beispiel der Buchstabe kleines "r" kleines "m" und kleines "e" sehr identisch ausgeführt worden sind. Auch sind Ähnlichkeiten an der Form der Okulare und des Objektives festzustellen.


    Jedenfalls ist es ein tolles Gerät, daß meine Teleskopausrüstung sicherlich bereichert. Und ich werde es nicht in der Ecke verstauben lassen. Ich werde den Refraktor benutzen.


    So, das wars mal vorerst !
    Ich hoffe, es war besonders für Liebhaber historischer Refraktoren und auch für alle anderen ein interessanter Bericht.


    Im nächsten Thread, werde ich über die Streulichtunterdrückung bzw. Optimierung bei diesem Refraktor berichten, da ich festgestellt habe, daß der Refraktor aufgrund mangelhafter Innenschwärzung von Tubus und Okularauszug, nur bedingt bei Tageslichtbeobachtungen zu gebrauchen ist. Dies macht sich auch beim Beobachten von helleren Himmelsobjekten bemerkbar, da die Steulichtreflexionen den Kontrast mindern. Vielleicht wäre das Einbringen einer richtig dimensionierten und platzierten Tubus-Klemmblende sinnvoll. Mal sehen.


    Ich werde kleine Optimierungen vornehmen, aber ohne den Originalzustand des Refraktors zu verändern. Das heißt, ich werde nur Veränderungen an diesem Gerät vornehmen, die jederzeit ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen, mit wenigen Handgriffen, ohne Werkzeug und geringem Zeitaufwand wieder rückgängig gemacht werden können.


    Viele Grüße und CS,
    Frank


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    Wenn Du auf deinem Astrofoto nichts erkennst, könnte das an der Bathinovmaske liegen, die noch vorm Objektiv ist.

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